Der Jahres-Rückblick: Was ging im AI-Jahr 2024?

Es war im Dezember 2022 – also vor 2 Jahren – als ich das erste mal ChatGPT genutzt habe. Meine Güte – was ist alles passiert in dieser Zeit?

Bevor wir, wie im letzten Jahr, im ersten Newsletter 2025 einen Blick in die Zukunft werfen und eine Prognose auf das was kommt wagen, ist dieser Newsletter dazu da zurück zu schauen und das AI-Jahr 2024 einzuordnen.

Was waren die wichtigsten Entwicklungen? Welche unserer Prognosen zum Jahresstart haben sich erfüllt, welche nicht und gab es überraschende Entwicklungen, die wir zum Jahresstart nicht auf dem Schirm hatten?

Denn – zu reflektieren ist mindestens genau so wichtig, als in die Zukunft zu schauen. 

Los geht’s! 🚀

Unsere Prognosen zum Jahresstart 2024 waren gar nicht schlecht

Lasst uns kurz und knapp einschätzen wie gut (oder schlecht) unsere Prognosen zum Jahresstart waren. Die Prozentzahl hinter der Prognose steht für die Wahrscheinlichkeit, die wir dem Eintreten der Prognose zugeordnet hatten. Am Ende findest du die Prozentzahl, wie ich das Eintreten jetzt, rückblickend, einschätzen würde. 

Entwicklungen bei OpenAI / ChatGPT

1. Erweiterte Multimodalität 

(01/24: 70% Prognose) / Eingetreten: 80%.

Anfang 2024 haben wir erwartet, dass ChatGPT in der Lage sein wird, mehrere Datenformate wie Bilder, Texte und Sprache noch besser zu verarbeiten. Tatsächlich hat OpenAI deutliche Fortschritte gemacht, besonders bei der Bild- und Textverarbeitung. Die Interpretation von Videoformaten bleibt jedoch, wie prognostiziert, ein Thema für 2025. Es ging richtig viel voran in 2024.

2. Bessere Schlussfolgerungen 

(01/24: 55% Prognose) / Eingetreten: 65%.

GPT-4 wurde dafür kritisiert, keine präzisen logischen Schlüsse ziehen zu können. Unsere Prognose, dass dieses Defizit verbessert wird, hat sich bewahrheitet: Mit den neuen Modellen o1, o1 mini und o1 pro wurde das Reasoning erheblich optimiert, besonders in mathematisch-wissenschaftlichen Anwendungen. In komplexeren Konzeptentwicklungen sind die Ergebnisse noch gemischt. 

3. Verlässlichkeit 

(01/2024: 45% Prognose) / Eingetreten: 50%

Unsere Erwartung war, dass ChatGPT konsistenter arbeiten und bessere Antworten liefern würde. Die Fortschritte in der Zuverlässigkeit sind spürbar, aber die Technologie ist noch nicht perfekt. 

4. Anpassung und Personalisierung 

(01/2024: 80% Prognose) / Eingetreten: 45%

Wir hatten erwartet, dass ChatGPT 2024 ein Gedächtnis bekommt, das in der Lage ist, persönliche Daten wie Briefing-Dokumente zu speichern. OpenAI hat ein Gedächtnis-Feature eingeführt, allerdings ist dessen Kapazität in Plus- und Team-Versionen sehr begrenzt, wenn man intensiv mit dem Tool arbeitet. Der große Durchbruch für die vollumfängliche Personalisierung steht noch aus. 

5. Schnittstellen und APIs

(01/2024: 80% Prognose) / Eingetreten: 45%

Die Integration von E-Mails, Kalendern und anderen Datenquellen sollte ChatGPT deutlich leistungsfähiger machen. Erste Schritte wurden gemacht, doch diese Funktionalitäten sind bei Endanwendern noch nicht angekommen. AI-Agents, die vollständig mit Standard-Software interagieren, sind eher ein Thema für 2025.

Weitere AI-Entwicklungen in 2024

6. Microsoft CoPilot (90% Prognose)

(01/2024: 90% Prognose) / Eingetreten: 50%

Unsere Erwartung, dass der CoPilot von Microsoft 2024 die AI-Adoption massiv vorantreibt, war zu optimistisch. Obwohl einige gute Use Cases in Unternehmen existieren, fehlt es an einer breiten, revolutionären Anwendung für Einzelanwender. 

7. AI Everywhere (80% Prognose)

(01/2024: 80% Prognose) / Eingetreten: 70%

Die Integration von AI in Business-Software wie Marketing-Tools und ERP-Systeme war vorhergesagt – und hat sich bewahrheitet. 2024 war ein starkes Jahr für diese Entwicklung, die auch in 2025 weiter Fahrt aufnehmen wird. 

8. AI Assistants (85% Prognose)

(01/2024: 85% Prognose) / Eingetreten: 40%

Neue Anwendungen wie E-Mail-Clients mit Priorisierung oder smarte Terminplaner wurden erwartet. Einige vielversprechende Tools sind erschienen, aber die Dynamik blieb unter den Erwartungen. Dieser Bereich hat sich als zäher erwiesen als prognostiziert. AI Agents wird m.E. das wichtigste Thema für 2025.

9. AI-Bots für Fachliteratur (90% Prognose)

(01/2024: 90% Prognose) / Eingetreten: 35%

Unsere Vision von Fachbüchern, mit denen Nutzer direkt chatten können, hat sich nicht in großem Stil verwirklicht. Stattdessen wurden erste AI-Bots von Prominenten und Influencern entwickelt, die jedoch keinen Durchbruch darstellten. 

10. AI in der Schule 

(01/2024: 30% Prognose) / Eingetreten: 40%

Der große AI-Boom im Bildungssektor blieb aus, wie erwartet. Es gab aber Fortschritte bei der Akzeptanz und den Überlegungen, AI langfristig in den Unterricht zu integrieren. Besonders in Entwicklungsländern entstehen erste Pilotprojekte. Lief, auf tiefem Niveau, etwas besser als prognostiziert.

11. AI Video Generation 

(01/2024: 65% Prognose) / Eingetreten: 70%

Unsere Prognose, dass AI im Bereich Video große Fortschritte macht, hat sich bestätigt. Die Qualität der generierten Videos ist beeindruckend gestiegen, auch wenn hohe Rechenkosten die breite Nutzung erschweren. 

12. AI im Gesundheitswesen (65% Prognose)

(01/2024: 65% Prognose) / Eingetreten: 70%

AI hat 2024 wichtige Fortschritte in Diagnostik, Big Data und Medikamentenentwicklung gemacht. Der prognostizierte Schub für Geschwindigkeit und Qualität im Gesundheitswesen hat sich bewahrheitet. Mehr zur Entwicklung im Gesundheitswesen kannst du hier nachlesen.

13. AI Influencer

(01/2024: 70% Prognose) / Eingetreten: 35%

Die Idee, dass AI-Influencer Social-Media-Plattformen dominieren, hat sich nicht durchgesetzt. Zwar gibt es einige AI-Charaktere mit Reichweite, aber kein weltweiter Durchbruch. Wir warten auf den ersten weltweiten “AI-Star” oder “AI-Nr1-Hit”.

14. AI & Robotics (25% Prognose)

(01/2024: 25% Prognose) / Eingetreten: 40%

Unsere Einschätzung, dass die Verbindung von LLMs und Robotik erst beginnt, war korrekt. Erste Produkte sind verfügbar, aber dieser Markt wird erst in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen. Vor allem die Entwicklungen im Bereich “digital twin” sehr äußerst vielversprechend. Humanoiide Roboter werden in den nächsten Jahren ein Mega-Trend.

15. Apple und AI (Prognose offen)

(01/2024: großes Fragezeichen) / Eingetreten: 40%

Unsere Erwartung, dass Apple den AI-Markt mit smarteren Siri-Funktionen aufmischt, hat sich nur teilweise erfüllt. Erste Features sind in den USA verfügbar, aber Europa wartet noch. Geschwindigkeit und Innovationskraft des Apfel-Konzerns sind nach wie vor stockend – aber Apple war nur selten der first mover bei der Implementierung von Innovationen.

16. VR & XR (45% Prognose)

(01/2024: 45% Prognose) / Eingetreten: 40%

Wir haben auf Dynamik im Bereich VR und XR gesetzt. Die Apple Vision Pro und Meta Quest 3 sorgten für Aufmerksamkeit, ein echter Durchbruch bleibt jedoch aus. Aber es ist damit zu rechnen, dass von Meta und Google spannende Produkte zu erwarten sind im kommenden Jahr.

17. Neue Device-Formate (15% Prognose)

(01/2024: 15% Prognose) / Eingetreten: 15%

Unsere Skepsis, dass neue Formate wie der AI Pin von Humane sich 2024 durchsetzen, war berechtigt. Die Meta Rayban war ein Highlight, doch viele andere Konzepte sind gescheitert. 

Überraschende Entwicklungen: Was ich nicht auf dem Schirm hatte 

Manche Dinge hat man einfach nicht auf dem Radar. So ist es auch 2024 gewesen. Diese zwei bedeutenden Entwicklungen hatte ich im Januar dieses Jahres nicht auf dem Zettel:

Fortgeschrittener Voice Mode

Für mich persönlich waren die ersten Erfahrungen mit dem fortgeschrittenen Voice Mode von ChatGPT der AI-Moment in 2024. Ja- es gab eine Menge Innovation dieses Jahr. Aber – die Art und Weise, wie wir in Zukunft arbeiten werden hat, meiner Meinung nach, kein anderes Feature so deutlich gezeigt wie der fortgeschrittene Voice Mode von ChatGPT. 

Das ist das Feature, was für die ganz normalen Anwender von AI-Tools da draußen die höchste Relevanz hat.
Nun hat auch Google mit “Voice Match” eine vergleichbare Anwendung gelauncht. 
In Zukunft werden wir immer häufiger mit unserer Software sprechen, anstatt zu tippen und zu klicken. Und das ist gut so – finde ich.

Software-Entwicklung ohne Coding

Dass eines der ersten wirklich relevanten AI-Agent-Systeme ausgerechnet das komplexe Thema Software-Entwicklung vereinfacht ist m.E. sehr erstaunlich und nichts, was ich schon im Jahr 2024 erwartet hätte. 
Aber replit hat es tatsächlich geschafft und ist so viel weitergekommen, als ich das jemals für möglich gehalten hätte. 
Mit Entwicklungen wie dieser werden aus ca. 30 Millionen Software-Entwickler weltweit, die tatsächlich coden können, auf einen Schlag 2 Milliarden Software-Entwickler – zumindest in der Theorie.

Was für ein AI-Jahr – 2024 hat uns auf der AI-Seite sicherlich nicht enttäuscht. 

Der Rückblick macht noch mal deutlich mit welch exponentieller Geschwindigkeit wir uns Richtung Zukunft bewegen.

Vor gerade mal zwei Jahren wurde die erste Version von ChatGPT veröffentlich. Und schaut euch an, was in einem so kurzen Zeitraum alles passiert ist.

Aber bevor wir uns in die Wirren des neuen Jahres begeben und zum Jahresstart 2025 erneut einen Blick in die AI-Glaskugel werfen, kommt nun eine Zeit, in der wir uns etwas entschleunigen sollten.

✌🏼Kai Michael Schäfer